Landrat Fügmann distanziert sich von Kinderschuh-Symbolik
26. März 2021 - Thüringer Landeselternvertretung weist auf Holocaust-Symbolik vielerorts praktizierter Kinderschuh-Proteste hin / Arbeit an Öffnungskonzept für Kitas und Schulen läuft


Schleiz. „Für diese Form des Protestes habe ich vollstes Verständnis“, sagte Landrat Thomas Fügmann am gestrigen Donnerstag noch über eine „stille Demonstration“, bei der zahlreiche Kinderschuhe vor dem Landratsamt in Schleiz abgestellt wurden, „um ein Zeichen für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu setzen“. Diese Aussage muss der Landrat nun ein Stück weit relativieren.
Ursache ist ein entsprechender Hinweis der Landeselternvertretung Thüringen (LEV) sowie der Thüringer Landeselternvertretung der Kindergärten (TLEKV). „Die verwendete Symbolik der Kinderschuhe lehnen LEV und TLEKV entschieden ab und distanzieren sich von den Protesten, die mit ihren Plakaten, Bannern oder eben ausgestellten Symbolen die aktuelle Notlage an unseren Kindereinrichtungen auch nur im Entferntesten mit dem Holocaust vergleichen. Wer Symbole verwendet, sollte wissen, was sie bedeuten“, schreiben LEV-Sprecherin Claudia Koch und TLEKV-Sprecherin Juliane Worgt.
Ähnliche Kritik an der Kinderschuh-Symbolik gibt es vielerorts in Deutschland. Hintergrund ist, dass gut erhaltene Kinderschuhe (und Kleidung) von unzähligen jüdischen Kindern, die in den faschistischen Konzentrationslagern ermordet wurden, ins Deutsche Reich geschickt wurden und die SS ein Geschäft daraus machte. Nach der Befreiung der Konzentrationslager fand man Berge von Kinderschuhen, die nicht mehr verschickt werden konnten. „Dieses Gleichnis ist genauso geschmacklos und antisemitisch wie der Judenstern für Impfgegner“, sagte etwa Diana Sandler, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde im Landkreis Barnim, gegenüber dem rbb.
Entsprechend klar positioniert sich nun auch Landrat Thomas Fügmann. „Mir war dieser Hintergrund nicht ansatzweise bewusst. Wenn die Symbolik wirklich absichtlich in diesen Zusammenhang gesetzt wurde, distanziere ich mich auf das Schärfste. Den organisierten Massenmord in Konzentrationslagern mit den aktuellen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie gleichzusetzen ist in keiner Weise hinnehmbar.“
Allerdings geht Thomas Fügmann davon aus, dass sich sowohl die Kreiselternsprecher des Saale-Orla-Kreises, die zur „stillen Demonstration“ aufgerufen hatten, als auch die überwiegende Masse der teilnehmenden Eltern dieser Symbolik nicht bewusst waren. Da auch weitere Aktionen dieser Art geplant sind, so beispielsweise in Pößneck, ruft der Landrat dazu auf, sich nicht daran zu beteiligen und lieber eine andere Form des Protestes zu wählen.
„Ich habe volles Verständnis dafür, wenn man mit Teilen der Corona-Politik nicht einverstanden ist und natürlich darf man in einem Rechtsstaat auch seine Meinung dagegen äußern. Aber bitte in vernünftiger Art und Weise. Dass gerade die Situation der Kinder viele Menschen bewegt, ist völlig nachvollziehbar und da schließe ich mich ein. Darum arbeiten wir auch intensiv daran, Wege zu finden, um eventuell schon nach Ostern mit verantwortungsvollen Schritten Stück für Stück zur Normalität in Kinderbetreuung und Schule zurückkehren zu können“, so Landrat Thomas Fügmann.
Pressesprecher
Alexander Hebenstreit