„DDR: Mythos und Wirklichkeit“ – Ausstellung weckt Erinnerungen
Ausstellung bis 28. Oktober im Landratsamt in Schleiz zu sehen
Schleiz. Es ist nicht nur eine Ausstellung. Es ist eine Einladung zum Gespräch, eine Einladung, sich zu erinnern, Gefühle, persönliche Erinnerungen und Erfahrungen an die jüngeren Generationen weiterzugeben: Die Wanderausstellung „DDR: Mythos und Wirklichkeit – Wie die SED-Diktatur den Alltag der DDR-Bürger bestimmte". Seit dem 17. Oktober ist die von der Konrad-Adenauer-Stiftung erarbeitete Schau auf Einladung der Volkshochschule des Saale-Orla-Kreises vier Wochen lang im Landratsamt des Saale-Orla-Kreises in Schleiz zu sehen.
„Anliegen der Ausstellung ist es, Mythen über die DDR mit Fakten zu konfrontieren“, erklärte Tillmann Bauer, Referent für Politische Bildung und das Politische Bildungsforum Thüringen der Adenauer-Stiftung zur Eröffnung. „Ja, persönliches Glück war in der DDR möglich,“ so Bauer. „Aber die Partei konnte willkürlich in alle Lebensbereiche eingreifen – und tat es auch.“ Konkrete Beispiele dafür, wie die SED-Diktatur den Alltag der Bürgerinnen und Bürger bestimmte, werden auf insgesamt 20 Bannern unter anderem aus den Themenbereichen Kultur, Wirtschaft, Umwelt, Wehrdienst, Schule, Sport präsentiert.
„Der Mythos, dass in der DDR alles besser war, stimmt einfach nicht“, betonte Landrat Thomas Fügmann auch anhand persönlicher Erfahrungen in der Diskussion mit Gästen der Eröffnungsveranstaltung. Und sofort begann eine lebhafte Gesprächsrunde, an der sich Gäste verschiedener Altersgruppen beteiligten.
Eine Schleizer Rentnerin beschrieb ihre Erinnerung an die DDR als „ganz schlimm“ und berichtete von der Enteignung des landwirtschaftlichen Betriebs der Familie und den Repressalien, die sie erlebte. Ein Lehrer aus dem Orlatal brachte positive Aspekte der damaligen Schulbildung, insbesondere der thematischen Strukturiertheit des Unterrichts in den naturwissenschaftlichen Fächern, in Erinnerung. Eine junge Schleizerin, im Jahr 2001 geboren, bekannte, dass sie sich viele Einschränkungen der persönlichen Freiheit, wie es sie in der DDR gab, kaum vorstellen könne; auch dass es eine Grenze mitten durch Deutschland, mitten durch Berlin gab, die praktisch nicht passierbar war.
Unter dem Titel „Wende-Wirklichkeiten – Ein Zuhöreraustausch über Alltag und Wandel eines untergegangenen Systems“ moderierte im Anschluss Anne-Kristin Jahn, freischaffende Filmemacherin und Autorin, einen Abend voller Erinnerungen. Anhand von Filmausschnitten wurden Themen aus der DDR-Zeit wieder ins Bewusstsein gerückt. Die Teilnehmer berichteten in kleinen Gesprächsrunden ihre persönlichen Erfahrungen, Emotionen oder Assoziationen zum jeweiligen Thema, lernten sich kennen und besser verstehen.
Mehrfach begannen die Ausführungen mit dem Satz, in welchem Alter die jeweilige Person 1989 in der Zeit der politischen Wende war. Die Referentin, Anne-Kristin Jahn, war 12 Jahre jung und ist sich dennoch bewusst, dass dieses Land, das sie nicht als Erwachsene erlebte, ihren Lebenslauf sehr geprägt habe.
Weitere Informationen zum Thema im Wissensportal der Konrad-Adenauer-Stiftung unter www.ddr-mythen.de
Ein Redebeitrag zur Ausstellungseröffnung
Mein Name ist Pauline Schmidt und ich spreche heute hier im Namen des Jugendparlamentes - einer Initiative junger Menschen aus dem Saale-Orla-Kreis, die auf Kreisebene etwas bewirken möchten.
Ich bin 21 Jahre alt und gehöre damit schon zu den älteren Jugendlichen. Aber vor 21 Jahren war erst 2001. Damit habe ich weder die DDR noch die Wende erlebt. Ich könnte nicht mal mit Sicherheit sagen, wie eine D-Mark aussah. Trotzdem weiß ich um deren Geschichten und bin jedes Mal fasziniert, wenn meine Eltern damit anfangen, von ihrer Jugend hinter der Mauer zu erzählen.
Ich bin fasziniert und verstehe, was sie sagen - doch mir wirklich vorstellen, wie es war, kann ich nicht. Wie es war, eingesperrt zu sein und trotzdem von der großen weiten Welt zu träumen. Wie es war, ein Westpaket zu öffnen und seinen unverkennbaren Duft zu riechen. Oder wie es war, sich unter vermeintlichen Freunden vor seinen eigenen unbedachten Worten zu fürchten. Und Stunden für die Chance auf etwas Besonderes zu Essen anzustehen. Es steckt so viel Ambivalenz in diesen Geschichten. Geschichten voller freudiger Erinnerungen an Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl, aber auch Geschichten über Trennung, Angst und Mangel.
Ich persönlich sehe mich in erster Linie als Deutsche, nicht als Ostdeutsche. Auch wenn ich einsehe, dass es mich geprägt hat, hier aufzuwachsen. Aber wir leben in einer globalisierten Welt und für unsere Zukunft sollte es eher darauf ankommen, was für ein Mensch man ist, als darauf, woher man kommt.
Wenn ich heute an die damalige Teilung denke, kommen mir als erstes meist schlechte als rechte Ost-West-Witze in den Sinn. Manchmal muss ich über sie lachen, aber manchmal regen sie mich auch furchtbar auf. Ich meine, wie kann es sein, dass wir 30 Jahre später immer noch in Schubladen denken oder dass ich als Mitarbeiterin einer kommunalen Verwaltung anderen und fast ausschließlich schlechteren Tariflichen Regelungen unterliege als meine Kollegen im Westen? Ich, die erst 30 Jahre nach dem Mauerfall ihre Ausbildung begonnen hat.
Aber große Geschichte hinterlässt nun auch mal große Schatten.
Deshalb finde ich Ausstellungen wie diese so wichtig und interessant. Denn große Geschichte sollte, so ambivalent sie auch sein mag, nicht vergessen werden. Man sollte sich damit auseinandersetzen, denn gerade aus Epochen wie dieser können wir so viel für unser eigenes Leben mitnehmen. Zum Beispiel wie glücklich wir uns schätzen können, Bewegungs- und Meinungsfreiheit genießen zu dürfen oder dass es nicht selbstverständlich ist, vor vollen Supermarktregalen zu stehen und jederzeit nahezu alles Wichtige kaufen zu können oder auch was für ein Privileg es ist, Politik jederzeit, und wenn auch nur im Kleinen, mitgestalten zu können.
Ich bedanke mich für die Einladung und das Engagement der Initiatoren und bin gespannt darauf, welche neuen Einblicke ich durch die Ausstellung gewinnen kann - welche Mythen sie widerlegt und welche Wahr- wie Weisheiten sich in den Geschichten finden.
Danke.