Courage gegen Drogen in der Corona-Pandemie
Hilfe, aktuelle Ideen, Angebote und Präventionsprojekte des Netzwerkes Courage gegen Drogen
Wie hat sich die Situation für Betroffene in Bezug auf Drogenkonsum und Sucht im Saale-Orla-Kreis während der Corona-Pandemie verändert?
Wir stellen einen deutlichen Anstieg an psychischen Dekompensationen, Angstzuständen, Unsicherheiten und Depressionen bei Bürgerinnen und Bürgern verschiedener Altersgruppen fest.
(Hinweis: Als Dekompensation bezeichnet man den Zustand eines Patienten, wenn dessen Körper oder Psyche übermäßige Belastungen nicht mehr ausgleichen, das heißt kompensieren kann, so dass Symptome offen zu Tage treten. Der Dekompensation geht oft eine Phase der kompensierten Störung voraus, während der noch keine oder nur geringfügige Symptome bestehen.)
Spürbar zugenommen haben Fälle von enormem Alkoholkonsum und deshalb notwendige Einweisungen von Betroffenen in Fachkliniken. Teilweise werden Promillewerte im Blut von 3,5 bis sogar 5,0 festgestellt. Außerdem gibt es bei den Suchtkranken derzeit eine erhöhte Rückfallquote in relativ kürzeren Abständen, eine erhöhte Anzahl von Suizidversuchen und Suizidandrohungen.
Welche Personengruppe ist von der Situation besonders betroffen?
Nach unserer Einschätzung ist die Situation in der Versorgung älterer Patienten (mit Suchtproblematiken oder ohne) besonders schwierig. Es besteht die Gefahr von extremer Vereinsamung, da Tagesbetreuungen teilweise geschlossen oder Besuche/Betreuung dort nur teilweise möglich sind. Teilweise steht nicht ausreichend Personal in den Pflegediensten zur Verfügung. Die Versorgung kann nicht immer abgesichert werden.
Schließlich sind die regionalen Fachkliniken für Psychiatrie an der Belastungsgrenze bzw. überfüllt, daher gibt es lange Wartezeiten für Aufnahmen von Patienten. Eingestellt wurde ein ambulanter Psychiatrischer Pflegedienst, der bisher durch eine Klinik geleistet wurde.
Im Oberland des Saale-Orla-Kreis gibt es außerdem keine Praxis für Psychiatrie, derartige Angebote gibt es nur im Pößnecker Bereich.
Ebenso angespannt ist die Situation für behinderte Menschen in den Wohnheimen der Eingliederungshilfe, da hier fast flächendeckend ein Corona-Ausbruchgeschehen vorhanden ist.
Antworten von Imka Otto vom Sozialpsychiatrischen Dienst im Landratsamt
Im Jahr 2020 konnte der Revolution-Train wegen der Corona bedingten Einschränkungen nicht nach Schleiz kommen. Welche Ersatzveranstaltungen gab es an den Schulen?
Unabhängig von dem Projekt Revolution Train fand an den Schulen im Saale-Orla-Kreis eine umfangreiche Suchtprävention statt. Dazu hat das Bildungswerk BLITZ e.V. gemeinsam mit der Volkssolidarität Oberland e.V. ein Suchtpräventionskonzept erarbeitet, das seit mehreren Jahren Anwendung findet.
Die Prävention beginnt bereits im Grundschulalter – suchtmittelunspezifisch – mit dem Schwerpunkt der Ich-Stärkung und wird in der weiterführenden Schule suchtmittelspezifisch fortgesetzt.
Leider konnten aber viele (weitere) geplante Projekte an den Schulen in diesem Jahr nicht stattfinden. In den Schulen stand und steht nach den längeren Schulschließungen und Homeschooling-Phasen das Nachholen von Lernstoff im Vordergrund.
Dennoch fanden unter anderem folgende Projekte statt:
Einsatz des Jugendschutzparcours Stop & Go in Klassenstufe 6/7 in Kooperation mit dem Team der Suchtberatung des Diakonievereins Orlatal mit den Themen Medien, Jugendschutzgesetz, Sucht, Konsum, beispielweise in den Regelschulen Oppurg und Ranis sowie der Gemeinschaftsschule Triptis;
Projekte zum Thema Alkohol und Nikotin in Klassenstufe 7/8 (Informationen/Aufklärung zu Sucht, Suchtverlauf, Schutzfaktoren, Hilfemöglichkeiten) in Kooperation mit dem Team der Suchtberatung des Diakonievereins Orlatal, beispielweise in den Regelschulen Oppurg und Ranis sowie der Gemeinschaftsschule Triptis;
Projekte zum Thema illegale Drogen fanden in Klassenstufe 7/8 statt, beispielsweise an der Regelschule Pößneck.
Antworten der Netzwerk-Koordinatorin Corina Fügmann und von Cynthia Reller vom Bildungswerk Blitz e.V.
Wie haben sich die Fachleute der Suchtberatung auf die veränderte Situation eingestellt? Was wird den Betroffenen angeboten?
Die Suchtberatungsstelle hat sich im Bereich der Prävention seit der Zeit des ersten Lockdowns auf die neue Situation eingestellt. Suchtberaterin Melanie Wollner hat das Projekt „Suchtprävention to go“ entwickelt, das heißt, es finden Einzelgespräche und Beratungen an der frischen Luft im Gehen statt. Dies wird gut angenommen. Zudem wurde durch das Team im Saale-Orla-Kreis ein Fortbildungskonzept für Fachkräfte zum Thema „Kinder – Sucht – Familie“ entwickelt, eine umfangreiche Bedarfsanalyse bzgl. der Pößnecker Kindergruppe durchgeführt und in Kooperation mit einer Schulsozialarbeiterin der Volkssolidarität Oberland ein Medienpräventionsprojekt erarbeitet. Auch im Rahmen der Kindergruppenarbeit gab es Veränderungen – wie beispielsweise auch hier die Beratung im Gehen.
Antwort der Leiterin der Suchtberatungsstelle des Diakonievereins Orlatal, Dipl. Sozialpädagogin und Suchttherapeutin Mirjam Kupfer
Ganz besonders während der Corona-Lockdowns, als Schulen und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche geschlossen waren, verbrachten sie viel mehr Zeit mit digitalen Spielen und in den sozialen Netzwerken. Wie kann hier entgegen gewirkt werden?
Es fanden und finden, sobald möglich, – nach dem Suchtpräventionskonzept des Bildungswerkes Blitz e.V. – Projekte zu den Themen Medien und Mediensucht in den Grundschulen und weiterführenden Schulen im Saale-Orla-Kreis statt.
Dazu gehören Medienprojekte in Klassenstufe 3/4 (Themen: Medienkonsum, Nutzungsmöglichkeiten, Gefahren, Sucht) an der Grundschule Ranis und der Gemeinschaftsschule Triptis; Medienprojekte in Klassenstufe 5/6 (Themen: Medienkonsum, Internet- & Smartphone-Nutzung, Cybermobbing) an Regelschulen in Pößneck und Ranis sowie
Elternabende zum Thema Medien (Online-Games, Social-Media, Kinder- und Jugendschutz im Netz) an der Regelschule Ranis und der Gemeinschaftsschule Triptis und eine Mediensuchtprävention (Themen: Online sein & Spielverhalten) sowie Suchtprävention (Themen: Selbstverletzung, Magersucht, Ess-Brech-Sucht, Esssucht) in Klassenstufe 7 im Gymnasium „Am Weißen Turm“ in Pößneck.
Antwort von Cynthia Reller vom Bildungswerk Blitz e.V.