Wenn das Leben viel zu kurz währt

31. März 2025 - Ausstellung im Landratsamt beschäftigt sich mit Sternenkindern / Lesung und Fachtagung als Rahmenprogramm zur Ausstellung

2025 03 26 besucher vor den infotafeln des dresdner sternenkinder vereins bei der er ffnung der ausstellung2025 03 26 besucher vor den infotafeln des dresdner sternenkinder vereins bei der er ffnung der ausstellung

Schleiz. Im Beisein von über 80 Gästen wurde die neue Ausstellung im Foyer des Landratsamtes eröffnet. Sie trägt den Titel „Sternenkinder – Familien achtsam und würdevoll begleiten“ und widmet sich damit einem sehr sensiblen und hochemotionalen Thema, das in unserer modernen Gesellschaft oft noch tabuisiert wird. „Dabei kann gerade das darüber reden und die Aufklärung zu dem Thema den Betroffenen helfen, um sich weniger isoliert und nach ihrem schmerzlichen Verlust nicht von der Gesellschaft ausgeschlossen zu fühlen“, sagt Nadine Hofmann, Gleichstellungsbeauftragte und Organisatorin der Ausstellung im Landratsamt.

Als Sternenkinder werden Kinder bezeichnet, die während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt sterben. Für die betroffenen Familien bedeutet das einen Schicksalsschlag, der schmerzlicher kaum sein könnte. „Umso wichtiger ist es, dass Eltern von Sternenkindern nach dieser traumatischen Erfahrung Hilfs- und Unterstützungsangebote finden und mit Einfühlungsvermögen und Respekt durch ihre Trauer begleitet werden“, betont die erste Beigeordnete des Landrates, Katrin Gersdorf, in ihrer Eröffnungsrede.

Die Ausstellung, die vom 26. März bis zum 16. Mai während der regulären Öffnungszeiten des Landratsamtes zu sehen ist, stellt zwei dieser Hilfsangebote vor: den Verein „Sternenkinder Dresden e.V.“ und die Stiftung „Dein Sternenkind“. Letztere fertigt – oft noch im Krankenhaus - professionelle Fotografien der viel zu früh verstorbenen Kinder an. Beide Organisationen arbeiten komplett auf ehrenamtlicher Basis.

„Ein Kind in der Schwangerschaft zu verlieren, ist für Eltern eine sehr schmerzvolle Erfahrung, die sie meist völlig unvorbereitet trifft. Lebenspläne und Zukunftsträume müssen die Betroffenen mit dem Baby ziehen lassen. Freunde oder Verwandte sind mit der Situation oft überfordert und wissen nicht, wie sie helfen können. Wir möchten Sternenkinder-Eltern in ihrer Trauerarbeit unterstützen, indem wir ihren Kindern einen Platz in unserer Gesellschaft sichern. Es ist so unendlich wichtig, dass Betroffene einen Ort haben, an dem sich ihr Sternenkind befindet und sie ihre Trauer hintragen können“, erklärt Prof. Dr. Daniela Aust. Sie ist die Vorsitzende des Vereins Dresdner Sternenkinder, der seit 2007 Beisetzungen für Sternenkinder organisiert und durchführt.

Der zweite Ausstellungsteil entstand unter der Regie der Stiftung „Dein Sternenkind“ und zeigt eindrucksvoll anhand ausgewählter, von den Eltern freigegebener Fotografien, wie wertvoll diese Art der Unterstützung für die Betroffenen ist. „Die Bilder, die wir machen, sind die einzigen, die es von diesen Kindern jemals geben wird. Dementsprechend hoch ist der Druck, ein qualitativ anspruchsvolles und ästhetisches Foto zu machen. Darum ist es besonders wichtig, dass wir bei unserer Arbeit mit den Eltern mitfühlen, aber nicht mittrauern“, erklärt Daniel Klie, der seit mehreren Jahren ehrenamtlich für die Stiftung tätig ist. Durch den achtsamen und würdevollen Umgang beweisen die Fotografen, dass dieser Spagat gelingen kann. So zeigen die Fotos zwar die Trauer und Verzweiflung, spiegeln aber ebenso die Dankbarkeit und die tief empfundene Liebe der Eltern zu ihrem Kind.

Die Ausstellungseröffnung wurde musikalisch von Monique Röhlig begleitet und von Pfarrer Christian Sparsbrod gesegnet, der u.a. als Klinikseelsorger in Saalfeld tätig ist. Seinen Segen begann er mit den Textzeilen des allseits bekannten Kinderliedes „Weißt du, wie viele Sternlein stehen“, was auch die Teilnehmer, die sich nicht zu den regelmäßigen Kirchgängern zählen, tief berührte. Zudem war es das erste Mal, dass eine Ausstellung im Landratsamt einen besonderen Segen erfuhr.

Rahmenprogramm mit Lesung und Fachtagung ergänzt die Ausstellung

Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung fand eine Fachtagung zum Thema „Sternenkinder – Familien achtsam und würdevoll begleiten“ statt, die vom Netzwerk Frühe Hilfen im Landratsamt organisiert wurde. Die Teilnehmer kamen vorrangig aus dem medizinischen Bereich oder aus Berufsfeldern, in denen Sternenkindern oder die Betreuung von Sternenkind-Eltern eine Rolle spielen. Bei den verschiedenen Fachvorträgen über die juristischen, medizinischen oder ethischen Aspekte des Themas kam es zu einem für alle Seiten aufschlussreichen Erfahrungsaustausch.

Ebenso zum Rahmenprogramm der neuen Ausstellung gehörte eine Lesung mit der Autorin Ellen Matzdorf am Vorabend der Ausstellungseröffnung. In ihrem Buch „Vom ersten bis zum letzten Atemzug“ schildert sie auf ergreifende wie auch nüchterne Art und Weise ihren Alltag als Hebamme und Bestatterin und ihre Erfahrungen in der Trauerbegleitung. Gerade durch die Nüchternheit ihrer Darstellung schafft es die Autorin, das schier Unfassbare in ihren Schilderungen für die Leser bzw. Zuhörer fassbar zu machen.

Matzdorf war deutschlandweit die erste Hebamme, die auch als Bestatterin tätig ist. „Für mich schließt sich das nicht gegenseitig aus“, sagt sie. „Ganz im Gegenteil - Leben und Tod können einander sehr nah sein und beides sind Momente, die das Leben eines Menschen formen und die man nicht immer steuern kann. Es sind Extremsituationen, in denen die Beteiligten für jede Hilfe und Unterstützung dankbar sind“, so Matzdorf weiter. Aufgrund des großen Interesses war die Lesung mit 150 Teilnehmern schon nach kurzer Zeit ausverkauft und musste von der Stadtbibliothek in die Aula des Gymnasiums verlegt werden.

Mit der Ausstellung und dem dazugehörigen Programm haben die Organisatoren es geschafft, einem Thema, das viel zu häufig in Schweigen gehüllt wird, ein Forum und einen würdigen Rahmen zu geben.