„Handle - jetzt!“

Eine Kampagne der Thüringer Gleichstellungsbeauftragten und Netzwerke zur Hilfe für Betroffene von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt / Gemeinsame Medieninformation der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und der Landesgleichstellungsbeauftragten

Häusliche Gewalt in Thüringen auf neuem Höchststand – Steigerung um über 18% gegenüber 2021

Laut Bundeslagebild 2022 ist die „Anzahl der Opfer Häuslicher Gewalt in den letzten fünf Jahren „bundesweit um 13 Prozent“ angestiegen und liegt nun bei 240.547 Opfern.“ In Thüringen ist sogar ein Anstieg von über 18 Prozent zu verzeichnen (2021: 3.227 Opfer, 2022: 3.812 Opfer). In der Partnerschaftsgewalt sind gemäß Angaben des BKA in den letzten Jahren ebenfalls stetig steigende Zahlen zu verzeichnen. Besonders betroffen sind mit 80,1 Prozent Frauen (126.349). Jede Stunde wurden 2022 in Deutschland durchschnittlich 14 Frauen Opfer von Gewalt in Partnerschaften. Alle zweieinhalb Tage stirbt eine Frau durch die Gewalttat ihres Partners oder Ex-Partners.

Anlässlich dieser Entwicklungen sagen 29 Thüringer Gleichstellungsbeauftragte entschieden NEIN zu jeder Form von Gewalt. Ab dem 16.11.2023 informieren sie mit den regionalen Netzwerken gegen häusliche Gewalt zu ca. 200 thüringen- und bundesweiten Hilfs- und Beratungsangeboten. Auf der Homepage www.handle-jetzt.de und in den sozialen Netzwerken werden bis zum 25.11.2023 - dem Internationalen Tages zur Beseitigung gegen Gewalt an Frauen am 25. November (Orange Day) - täglich Beiträge veröffentlicht. Begleitet wird die Kampagne durch Anzeigen in den Tageszeitungen und Werbeplakate. 

Zum diesjährigen Kampagnenstart am 15.11.2023 im Saale-Orla-Kreis in Schleiz, werden Frau Dr. Helga Herzfeld (stellvertretende Landesgleichstellungsbeauftragte) und Vertreter:innen der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten am  54. Netzwerktreffen gegen häusliche Gewalt und der Netzwerkaktion  „Gewalt in der Pflege“ teilnehmen.

Kein Mensch muss Gewalt aushalten!

Gewalt hat viele Gesichter. Sie kann zuhause, auf der Arbeit, im öffentlichen Raum und im Netz stattfinden. Bedrohungen, Beschimpfungen und Kontrolle gehören ebenso dazu, wie die körperlichen Übergriffe. Die Gleichstellungsbeauftragte des Saale-Orla-Kreises, Nadine Hofmann, erklärt: „Das Ziel der Kampagne ist, zu motivieren, nicht länger auszuhalten, sondern etwas zu unternehmen und die eigene Situation zu verbessern.“ Viele Menschen trauen sich aus Scham und Verzweiflung nicht aus der Tabuzone „Häusliche Gewalt“ heraus. Sie sollen wissen, dass sie nicht alleine sind und allein gelassen werden, wenn sie ihre Situation verändern wollen.
Die Kampagne soll auch das Umfeld, wie Angehörige, Freundinnen und Freunde, Bekannte, die Hausgemeinschaft, den Verein, den Kindergarten, die Schule, die Kollegin oder den Kollegen von Betroffenen erreichen. Sie sollen nicht wegsehen, sondern aktiv unterstützen und auf die zahlreichen Hilfsangebote in allen Regionen Thüringens hinweisen. Bereits 2022 beteiligten sich 18 Kreise und Städte des Freistaates Thüringen an „Handle-jetzt“. Nach dem erfolgreichen Start im vergangenen Jahr schlossen sich 10 weitere Regionen an.


Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine Menschenrechtsverletzung

Die Landesgleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler begrüßt die gemeinsame Aktion der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten: „Ich freue mich, dass wir in Thüringen die Aktion „Handle jetzt“ zusammen mit Land und Kommunen fortführen und die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt umsetzen. „Handle-jetzt“ bezieht sich nicht nur auf die besonderen Aktionstage im November. Genauso, wie die Webseite das ganze Jahr zur Verfügung steht, arbeiten wir alle kontinuierlich an der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.“

Die 28 beteiligten Kommunen neben dem Freistaat Thüringen mit der Landesgleichstellungsbeauftragten sind: Altenburger Land, Apolda, Eisenach, Erfurt, Gera, Gotha, Ilmenau, Ilmkreis, Jena, Kyffhäuserkreis, Landkreis Eichsfeld, Landkreis Gotha, Landkreis Greiz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, Landkreis Sömmerda, Landkreis Sonneberg, Landkreis Weimarer Land, Mühlhausen, Nordhausen, Rudolstadt, Saale-Holzland-Kreis, Saale-Orla-Kreis, Saalfeld, Sondershausen, Sonneberg, Suhl, Wartburgkreis, Weimar und Weimarer Land.

Neben der thüringenweiten Kampagne finden auch zahlreiche regionale Veranstaltungen in den Städten und Landkreisen statt.


Gewalt gegen Kinder / Mama, Papa … Nein!

Gewalt gegenüber Kindern passiert oft in Kombination verschiedener Gewaltformen. So erleben Kinder von gewalttätigen Vätern meist die Gewalt gegen die eigene Mutter mit. Die Gewalt findet dabei im vermeintlichen Schutzraum des Kindes, im eigenen Zuhause, statt und wird von Nahestehenden des Kindes ausgeübt. Es ist wichtig, dass Kinder die Möglichkeit bekommen, über das Erlebte zu sprechen. Betroffene Kinder und Beobachtende von Gewalt finden Hilfe und Beratung auf www.handle-jetzt.de

Raus aus meinem Leben!

50% der Stalking Fälle finden im Anschluss an eine Liebesbeziehung statt. Täter nutzen Stalking um sich Macht und Kontrolle über ihr ausgewähltes Opfer zu verschaffen. Um eine reale Beziehung geht es nicht. Opfer werden verfolgt, belästigt und bedroht. Bisher wurde nur 1 von 4 Stalking Fällen angezeigt. Hilfe und Unterstützung finden Betroffene auf www.handle-jetzt.de

Mein Geld gehört auch mir!

Finanzielle Gewalt bedeutet die ungleiche Verfügungsmacht über finanzielle Mittel und das Ausnutzen von ökonomischer Überlegenheit, wie zum Beispiel finanzielle Abhängigkeit herstellen oder aufrechterhalten, ungenügende Geldmittel für den Unterhalt bereitstellen, Geld oder Wertsachen wegnehmen oder Wertsachen verkaufen, Arbeit oder Ausbildung verbieten oder verhindern, ein eigenes Konto verbieten, den Zugriff auf ein gemeinsames Konto unterbinden, die Arbeitskraft ausnutzen, zu Krediten „überreden“. Auch aus ökonomischer Abhängigkeit gibt es Auswege. Anlaufstellen sind zu finden unter www.handle-jetzt.de

Ich brauche Hilfe!

18% der Opfer häuslicher Gewalt sind Männer. Männer als Opfer von Beziehungsgewalt suchen sich noch seltener Hilfe als Frauen.  Durch das Rollenverständnis der Männer ist das Opfer-Sein ein Tabu, über welches nicht gesprochen wird.  Dies erschwert es, sich Hilfe zu suchen. Handle jetzt! Männer finden Hilfsangebote auf www.handle-jetzt.      

Was tun Kinder Müttern an?

Auch erwachsene Kinder wenden verbale, psychische oder physische Gewalt gegen die eigenen Eltern an. Nach Recherchen der Gleichstellungsbeauftragten lassen sich kaum verlässliche Statistiken finden, daher beziehen sich Angaben auf Gespräche mit Fachleuten und aus Fachforen. Wie bei anderen Gewaltformen auch, verschweigen Eltern oft die von Kindern an ihnen ausgeübte Gewalt aus Scham und aus Angst vor weiterer Gewalt durch die eigenen Kinder. Das Gewaltspektrum umfasst beispielsweise physische Gewalt, Drohen, Beschimpfen, Erpressen, Beklauen und Körperverletzung. Es wird davon ausgegangen, dass mehrheitlich die Gewalt der Kinder die Mütter trifft - am häufigsten alleinerziehende Mütter. Eltern suchen die Schuld für die Gewaltausübung der eigenen Kinder oft bei sich und suchen sich selten Hilfe. Handle jetzt! Eltern finden Hilfsangebote bei www.handle-jetzt.de

Pflege – bitte gewaltfrei!

Gewalt gegen ältere Menschen ist ein stark tabuisiertes Thema. Mit einer Pflegeabhängigkeit entsteht ein Machtgefälle, welches das Risiko, Gewalt zu erfahren, erhöht. Gewalt in der Pflege meint beispielsweise mangelhafte Versorgung, hygienische Verwahrlosung, Gewaltan­wen­dun­gen bei der Medikamentengabe, körperliche Übergriffe aber auch Verletzung des Schamgefühls. Ebenfalls erleben ältere Frauen Partnerschaftsgewalt. Knapp 1% der Frauen zwischen 60 und 74 Jahren werden Opfer partnerschaftlicher Gewalt. Für ältere Menschen ist es besonders schwer, aus eigener Initiative Hilfe zu finden. Ältere Menschen sowie Beobachtende von Gewalt finden Hilfsangebote und Beratung auf www.handle-jetzt.de

Ich lösch mich nicht!

Digitale Gewalt zielt auf die psychische Zerstörung der ausgewählten Opfer ab. Ausgewählte Personen sollen geängstigt oder zum Schweigen gebracht werden. Sie werden z.B. erniedrigt, sozial isoliert oder ihr Ruf wird geschädigt. Dafür wird das Internet als Ort der Tatausübung genutzt. Täter fühlen sich im Internet sicher. Opfer finden Hilfe- und Beratungsangebote auf www.hateaid.org  und  www.handle-jetzt.de

Opfer sind nie selbst schuld!

Bei der Täter-Opfer-Umkehr wird die Verantwortung für eine Tat durch Dritte oder den Täter selbst dem Opfer zugeschoben. Das Opfer wird somit als Täter beschuldigt oder eine Teilschuld der Tat wird dem Opfer unterstellt. Hat die Manipulation Erfolg und Opfer erfahren anstatt Hilfe und Beistand die Anklage als (Mit-) Schuldige, erhöht sich die psychische Last der Opfer. Hilfe für Opfer gibt es auf www.handle-jetzt.de

Ich muss damit aufhören!

Täterarbeit senkt das Rückfallrisiko erneut Täter zu werden. Ziel der Täterarbeit ist das endgültige Beenden von gewalttätigem Verhalten, um Opfer zu schützen und Gewalt zu verhindern. Täter suchen sich aus Scham und Abwehrhaltung oft nicht selbst Hilfe. Aber sie können andere Verhaltensoptionen erlernen und zeigen dadurch Verantwortung. Täterarbeit ist auch Opferschutz.

Professionelle Hilfe finden Täter auf www.handle-jetzt.de

Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften | Gewalt ist keine Liebe!

In 20% der bestehenden Paarbeziehungen gibt es Gewalt gegen Frauen und in 6% der aktuellen Partnerschaften sind Frauen von schwerer bis sehr schwerer Misshandlung betroffen. Häusliche Gewalt hat oft zum Ziel Macht und Kontrolle auszuüben. Nach der Tat ist das Zeigen von Reue und Versprechen sich zu ändern durch den Täter üblich. Die Eskalation der dominanzstrebenden Gewalt ist die Tötung der Frau, weil sie eine Frau ist. An jedem dritten Tag tötet ein Mann seine (Ex-) Partnerin.  Der Weg aus der Gewalt zu entfliehen, ist für Betroffene schwer, bei Anlaufstellen bekommen Betroffene Hilfe und Unterstützung. Handle jetzt! Betroffene finden Hilfe auf www.handle-jetzt.de.